Empathie ist mein Dilemma

Theory of mind heißt übersetzt, die Theorie des Geistes (der Gedanken).
Gemeint ist, die Gedanken eines anderen, bzw dessen Geistes,- Gefühlslage.
Theory of mind, beschreibt also die Fähigkeit, über die Gefühlslage und die Situation eines anderen Menschen zu spekulieren und den Versuch sich „theoretisch“ in ihn hineinzuversetzen.
Mehr ist es nicht.
Dies zu können, sei eigentlich die Grundvoraussetzung, um empathisch und damit auch rücksichtsvoll, mit seinen Mitmenschen umzugehen.

“Was man nicht will, was einer tut, das füg auch keinem anderen zu!”

Ich muss wissen, was der andere für einen Schmerz empfindet, damit ich weiß, dass ich ihm diesen Schmerz ebenso wenig zumuten darf, wie ich ihn selbst nicht ertragen möchte.

Ich muss also eine Vorstellung haben davon, was der andere empfindet…mich in seine Situation mental hineinversetzen.

In der Fachwelt wird seit Jahren behauptet und geschrieben, dass Menschen mit Autismus, genau das nicht können. Sie besitzen angeblich keine Theory of mind – keine Fähigkeit, sich  (kognitiv), in die Situation eines anderen hinein zu versetzen. Darum existiere bei ihnen auch keine Empathie.

 

ich lasse es  einfach mal so stehen… und mache mir meine Gedanken dazu.

Dieser kognitive Vorgang, der Empathie zulässt, wird auch als kognitive Empathie bezeichnet.
Etwas, was erlernt wird, und natürlich auch vom eigenen Erleben und eigenen Erfahrungen gesteuert und ausgebildet wird.

Je mehr eigene Erlebnisse und Erfahrungen man erlebt hat, desto besser kann man mental eine Vorstellung davon entstehen lassen, wie sich eben dieser Schmerz, den man erlebt hat, bei den anderen anfühlt.

Vorstellen…bedeutet allerdings nicht auch mitfühlen. Dieser Schmerz des anderen ist eine theoretische kognitiv übertragene Vorstellung.

Sehr sensible Menschen, also hochsensible Persönlichkeiten und viele Menschen mit Autismus, haben eine andere Fähigkeit. Sie haben die Fähigkeit zu fühlen und zu spüren, was dem anderen gerade passiert.

Und das in einer teilweise besonders ausgeprägten Weise.

Sie empfinden sogn. affektive Empathie, und leiden unmittelbar mit einer leidenden Person mit.
Wer das kennt, benötigt hierfür keine Vorstellungskraft. Der weiß und erlebt oft genug, zwischenmenschliche Stimmung und ist dem Hass, der Wut, der Gehässigkeit, der Missgunst, aber auch der Freude, der Hoffnung und der Liebe, die zwischen den Menschen entsteht, filterlos ausgeliefert.
Ein Gefühls-Potpourri, was nur die kennen, die eben eine solche Wahrnehmung besitzen, die eine affektive Empathiefähigkeit haben. Die Fähigkeit zu Fühlen, was andere fühlen.

Theory of Feelings? Ich nenne das jetzt einfach mal so. TOF.
Was ebenso absurd ist, denn eine Theorie ist eben nur eine Theorie.

Diejenigen, die das nicht nachvollziehen können, haben aber ggf soviel kognitive Empathie, dass sie sich in etwa, in eine solche Gefühls-, und Erlebniswelt, in der viele Autisten und Hochsensible Personen sich befinden, hineinversetzen können.

Wenn nicht, helfe ich einmal und gebe ein Vorstellungsmodell:

Diese Personen stellen sich bitte einmal vor, sie hätten eine Angststörung.
Wer eine solche hat, der hat es leicht.
Wer keine hat, der denkt sich bitte einmal das Schlimmste aus, was ihm im Leben passieren kann…und stellt sich vor, dass diese Angst und Furcht ihn derart beherrscht, dass er an nichts anderes denken kann, als an diese Angst.

Und nun erinnern sich sicher alle…mehr oder weniger intensiv, was Angst für ein Gefühl ist. Was es mit einem macht und was auch somatisch u.Umständen gleichzeitig passiert.

So eine Angst empfinden z.B Menschen, die eine Höhenangst haben. Der ganze Körper steht dann in Alarmbereitschaft, man ist dieser Angst ausgeliefert, obwohl das Geländer auf der Plattform des Aussichtsturm stabil ist, und keinerlei Risiko besteht – aus logischer Sicht.

Nun denken Sie vielleicht, sofern sie nicht unter Höhenangst leiden: ”Ja…ich kann mir das vorstellen, denn ich leide unter dieser oder jener Angst…und das fühlt sich wahrscheinlich genauso an.”

Das ist kognitive Empathie. Das ist TOM

 

Stellen Sie sich nun eine weitere Situation vor. Stellen sie sich vor sie besäßen affektive Empathie…so wie es viele Menschen mit Autismus eben erleben…TOF
Und sie leiden nicht unter dieser Höhenangst, und genießen die Aussicht auf dieser gut gesicherten Plattform.
Plötzlich kommt eine weitere Person hinauf und die erlebt dort oben eine Panikattacke vom “Allerfeinsten” Denn sie leidet unter Höhenangst.

Sie als der affektiv empathische (autistische) Mensch…sind plötzlich nicht mehr in der Lage, die natürliche physische Distanz als Schutz zwischen sich und dem anderen Menschen zu stellen.
Die Panik des anderen, einschließlich seiner somatischen Empfindungen wandert filterlos wie eine Welle über Sie, und erwischt sie in voller Breite und mit aller Heftigkeit.  Ihr Puls rast, Sie bekommen einen trockenen Mund, Sie empfinden Atemnot und ihnen wird speiübel.
Sie müssen weinen…Sie möchten hinunter…weg von diesem Ort, weg von dieser Bedrohung.
Dabei haben Sie ggf nicht einmal kognitiv verstanden, dass Sie lediglich Opfer ihrer wahnsinnigen Empathiefähigkeit geworden sind, und das Gefühl der Angst, gar nichts mit Ihnen zu tun hatte.

Szenenwechsel:

Stellen Sie sich einen hochsensiblen Autisten vor, der zwischen zwei streitenden Personen gerät, die sich immer wieder gegenseitig verbale “Spitzen” (Schmerzen) zu fügen…
und das was die Spitzen bewirken sollen, nämlich Verletzung, Verunsicherung, Erniedrigung usw, weswegen sie ja verteilt werden, spüren Sie genauso, wie jeweils der „Spitzenempfänger“ …und die Wut und der Zorn, der Wunsch,es dem anderen ebenso “heim zu zahlen”, spüren Sie ebenso wie der „Spitzensender“…

Dann können Sie vielleicht erahnen, wie es einem solchen Menschen geht, der ohne Filter und eben mit dieser Wahrnehmung “gesegnet oder gestraft” zwischenmenschliche Begegnungen tagtäglich ertragen muss.
Im Bus, an der Arbeitsstelle, im Wartezimmer einer Arztpraxis, in der Schule, in der Familie oder im Freundeskreis.
Sie können vielleicht nachempfinden, dass diese Person sich in gewissen Situationen wie erschlagen fühlt, als ob sie in Streit geraten wäre oder übelst beschimpft und angegangen.

Sie können sich vorstellen, dass dieser Mensch gewisse Personen oder Situationen meidet und sich vielleicht sozial sehr zurückzieht.

Leider wird in Fachkreisen immer noch die alte Lehrmeinung verbreitet, dass Autisten gar nicht emphatisch sind.
Dass sie nicht fähig sind, Mitleid zu empfinden.

Wie wahnsinnig arrogant und empathielos ist diese Behauptung?!

Wenn im Sinne des “MITLEIDS, wirklich das Mitleiden gemeint ist, dann ist das nicht die Vorstellung davon, wie es jemanden ergehen könnte, sondern es ist das wirkliche Leiden und Erleben. Mit all der Verarbeitungszeit und der Erholung, wie man es dem Menschen zugestehen würde, der gerade in eine furchtbare Streiterei oder eine Mobbingsituation geraten ist.

Der, der diese nur miterlebt, aber nicht gemeint ist…könnte aufgrund seiner kognitiven Empathie denken…”Der Arme…ich kann mir vorstellen, wie es ihm geht. Ich möchte nicht in seiner Haut stecken.”
Er kann sich aber auch abwenden und das, was der andere erlebt, prallt einfach an ihm ab. Es erreicht ihn nicht, wenn er nicht bereit ist, diesen kognitiven Einsatz zu leisten.

Der Mensch mit affektiver Empathie, steckt aber dagegen genau in diesem Moment  in dessen Haut. und ist wohl derjenige, der als erster geneigt ist, dem Streit, dem Mobbing ein Ende zu setzen.
Er kann sich nicht einfach abwenden, denn affektives Mitleid ist kein freiwilliger und kognitiver Akt. Sein Mitleid entsteht aus der Unfähigkeit, eine Grenze zu ziehen zwischen seiner Welt und der Außenwelt.
Darum ist er vielleicht derjenige, der dem Opfer wirklich zur Hilfe eilt, sofern ihn die Emotionen nicht sogar ebenso handlungsunfähig machen, wie das Opfer selbst.
Vielleicht wird er auch dann aus eben diesem Grund, dass er Stellung beziehen muss und sich in den Fokus rückt, ebenso zum Opfer.
Dennoch kann er nicht anders, als Position zu beziehen. Denn er ist aufgrund des MIT-Fühlens zur Loyalität gezwungen.

Eine Situation, die so und ähnlich einige Menschen kennen.
Viele davon, ( sicher nicht alle) werden Menschen mit Autismus oder/und Hochsensible sein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2 Gedanken zu “Empathie ist mein Dilemma

  1. Das stimmt. Manchmal stürmt so eine Flut an Gefühlen auf mich ein, dass ich gar nicht in der Lage bin dieses komplexe Konstrukt in Worte zu fassen. Vielleicht entsteht für Außenstehende so der Eindruck Autisten hätten keine Empfindungen oder Empathie.

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  2. Ich habe keine Diagnose, vrmutlih bin ich hochsensibel. Nach meiner Einschätzung hätte ich mich bislang auch als überempathisch bezeichnet, ich habe ein Problem mich abzugrenzen. Beim Besuch eines Krankenhauses fühle ich mich schon am Eingang schlagartig krank. Ich bin schon häufig körperlich krank geworden weil ich an Konflikten in meinem Umfeld nicht wirklich beteiligt war, ihnen aber auch nicht ausweichen konnte. In der Summe fühle ich mich im Alltag ständig überreizt und überfordert.

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