Rückzug ins Innere

Wenn man in unangenehme aber nicht zu ändernde Situationen gerät, mit der Aussicht auf ein Ende in gewisser Zeit, dann erträgt sich dieses dazwischenliegende Vakuum leichter, wenn man in sein Inneres abtaucht. So habe ich auch die paar Tage Kindergarten ertragen.

Es sei nötig, erklärten meine Eltern, dass ich vor der Einschulung noch lerne, dass es auch andere Kinder gäbe. Dass ich meine Schüchternheit verlieren müsse, was immer das bedeuten mochte.

Innerhalb der „Eingewöhnungszeit“ in diesem Kindergarten blieb ich standhaft und stur.

 

Mir wurde versprochen, dass ich jeden Tag wieder abgeholt würde. Das dazwischenliegende Vakuum lernte ich zu füllen. Ich zählte die Fliesen in dem Flur. Der Linoleumboden hatte eine grünschwarze Maserung. Darin versteckten sich viele Figuren und Gesichter. Genug Vorlagen für mein privates Kopfkino, mein eigener Geschichtenerzähler.

Dieser Boden war herrlich blank und glatt. Mein bevorzugter Aufenthalt, war und ist noch heute, der Boden.

Der Boden unter der Eckbank, auf dem Wohnzimmerteppich, auf dessen Muster ich meine geliebten Tierfiguren anordnen konnte.

In diesem Kindergarten saß ich auch meist auf dem Boden. Das unterschied mich bereits deutlich von den anderen Kindern. Die saßen nämlich auf kleinen Stühlen an Kindertischen.

Auf dem spiegelglatten Boden kniend, drehte ich mich immer wieder im Kreis. Dabei zählte ich immer wieder im Kopf von 1-10.  Ich  versuchte, während ich mich immer schneller drehte, die Augen offen zu halten. Es war ein herrliches Gefühl, wenn um mich herum alles beginnt zu flackern und die Farben sich vermischten.

Anschließend lag ich auf den Rücken und genoss das lang andauernde Schwindelgefühl. Das machte ich zu Hause auch. Hier war allerdings der Boden besonders geeignet für Hochgeschwindigkeitsdrehen.

Eine Erzieherin sprach mich immer wieder an. Sie sagte, dass mir davon doch übel würde und bat mich damit aufzuhören.

Ich fand eine andere glatte Stelle im Waschraum, wo ich hoffte, dass sie das nicht sehen konnte. Wurde aber immer wieder darausgetragen und zu den anderen  Kindern gesetzt. Beizeiten saß ich wieder auf dem Boden.

Nach ein paar Tagen des Aussitzens dieser unangenehmen Situation „Kindergarten“, kam dann die Erlösung.

Ich sei nicht Anpassungsfähig und es habe keinen Zweck.

„Das Kind spricht ja nicht und verweigert jedes Essen und Trinken.“ Man habe alles erdenkliche versucht mich in die Gruppe mit einzubeziehen. Ohne Erfolg

Ich durfte zu Hause bleiben.

Ein Gedanke zu “Rückzug ins Innere

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